Zukunftsfähigkeit

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Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit ist auch ein zentrales Thema der REIFF-Gruppe: 
Anlässlich des Generationswechsels wurde das Unternehmen nicht nur in seiner Organisationsstruktur neu ausgerichtet, sondern gleichzeitig auch ein kultureller Wandel eingeläutet, der das Wertegefüge des Familienunternehmens weiterentwickeln und das kundenorientierte Denken noch starker etablieren wird. Über diesen Prozess und seine Herausforderungen hat sich Christine Rittner CR , bis 2020 verantwortlich für das Personalressort im Lidl-Vorstand, mit unserem CEO Alec Reiff AR ausgetauscht. 

CR Du hast an der Universität Mannheim und der LMU München studiert, warst über sechs Jahre bei L’Oreal, bist anschließend in euer Familienunternehmen gekommen und nach verschiedenen Stationen in die Geschäftsführung der REIFF Technische Produkte eingestiegen. Dann kam 2019 der Generationswechsel.

Was ist seither passiert, was hat sich verändert, was ist geblieben? 

Alec Reiff: Tatsachlich liegen hinter mir zwei Generationswechsel, die unterschiedlicher nicht hatten sein können. 2016 habe ich den damaligen Reifenbereich von meinem Vater übernommen. 2018 – nach dem Verkauf dieser Sparte – folgte mein Einstieg in die Geschäftsführung der REIFF Technischen Produkte GmbH und, damit verbunden, die Übergabe von meinem Onkel. 

Was bleibt, sind die Werte unseres Familienunternehmens, die ich schon in meiner Erziehung mitbekommen habe. Verändert hat sich dagegen die Art und Weise, wie das Unternehmen geführt wird. Denn das wird immer auch geprägt von den Führungspersönlichkeiten. 



Die vergangenen drei Jahre hast du unheimlich viel angestoßen, gestaltet, umgesetzt. Worauf bist du am meisten stolz? 

AR Tatsachlich auf unsere Mitarbeitenden. Wir haben ihnen echt viel zugemutet. Ein struktureller Change, nach 35 Jahren Stabilität, ist ein Stressfaktor. Corona kam als verstärkender Unsicherheitsaspekt hinzu. Wir haben im Februar 2020 die neue Struktur intern vorgestellt, und dann kam der Lockdown. Über Nacht sind uns die Umsätze weggebrochen. Wir hatten dann überlegt: Sollen wir den Change stoppen und warten bis Covid wieder geht? Entschieden haben wir uns für die Variante „Flucht nach vorne“! Wir haben die neuen Abläufe zunächst unter deutlich geringerer Auslastung geübt und waren dann, als die Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat, ordentlich vorbereitet. Das bedeutet nicht, dass alles perfekt lief. Hierzu war der Einsatz unserer Mitarbeitenden gefordert, die hier einen Top Job gemacht haben. Dass wir das so gut hinbekommen haben, darauf bin ich echt stolz. Wir haben im vergangenen Jahr mit den neuen Strukturen operativ ein deutlich besseres Ergebnis erzielt als 2019 vor der Corona-Pandemie und in alter Struktur. 

CR Philipp Depiereux proklamiert in seinem Leitartikel, dass wir neben einem neuen Mindset vor allem Mut brauchen. Wie mutig und risikobereit seid ihr bei REIFF? 

  • AR: "UNTERNEHMERTUM IST EIN MARATHON, KEIN SPRINT."

Mit diesen Worten hatte mein Vater mir den Geschäftsführervertrag übergeben. REIFF gibt es seit 112 Jahren, das bedeutet Verantwortung. Wir wagen Neues mit überschaubarem Risiko. Denn wir denken nicht in Quartalsergebnissen, sondern in Generationen. Natürlich testen wir neue Möglichkeiten als Pilotprojekte, setzen dabei auch mal Geld in den Sand – aber eben in Masen. „Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“ Dieses Zitat von Robert Bosch ist ein guter Maßstab – am Ende geht es um das Vertrauen meiner Mitarbeitenden, Kunden, Geschäftspartner und Gesellschafter. 

CR Als CEO eines Unternehmens mit über 600 Mitarbeitenden trägst du eine große Verantwortung. Wie gehst du damit persönlich um, und welche Führungsprinzipien sind dir wichtig? 

AR Wenn mir etwas heilig ist, dann ist es, wie gesagt, Vertrauen. Den Mitarbeitenden zu vertrauen, ihnen die Freiheit zur Mitgestaltung zu geben, das ist für mich echtes Unternehmertum. Auch Transparenz gehört dazu, unabhängig vom Thema. Ebenso wichtig ist für mich eine klare Haltung und die Verbindlichkeit, zu Entscheidungen zu stehen und sie auch umzusetzen. Und last, but not least: Empathie – wer Führungskraft sein mochte, muss Interesse an den Menschen haben. 

 

CR Und was du vorhin schon erwähnt hast, Authentizität. Ich bin überzeugt, dass Menschen nur erfolgreich sein können, wenn sie sich nicht verbiegen. Natürlich ist das auch ein Weg, überhaupt herauszufinden, was man eigentlich will. 

AR Das kann ich bestätigen. Als ich 2010 von L’Oreal zu REIFF kam, habe ich mir die Frage gestellt, was unsere Mitarbeitenden von mir erwarten. Soll ich so sein wie mein Vater oder mein Onkel? Das hat mich echt belastet. Es brauchte seine Zeit, bis mir klar wurde: Ich bin ich – mit all meinen Starken und Schwachen –, und das ist besser als jede Kopie. Dazu stehe ich! 


AR Auch du hast ein Kapitel im Buch ZUKUNFTSREPUBLIK geschrieben. Wie stellst du dir denn das Jahr 2030 vor? 

CR Als Personalerin glaube ich, dass unsere Arbeitsweisefundamental anders sein wird. 

  • DIE ZENTRALE FRAGE, DIE SICH HEUTE STELLT, IST DESHALB, WIE WIR IN ZUKUNFT ZUSAMMENARBEITEN, WIE SICH DIE VIRTUELLE UND DIE REALE WELT VERBINDEN WERDEN 

Ich bin sehr optimistisch, kenne aber auch viele Menschen, die Angst vor der Digitalisierung haben. Es liegt an uns Führungskräften, diese Mitarbeitenden mitzunehmen. Deshalb sind auch Neugier und Offenheit für mich ganz wichtige Charaktereigenschaften. Denn eines ist klar: Die nächste Generation disruptiver Technologienklopft bereits an die Tür. 

CR Das Leitthema dieser Ausgabe von spruchREIFF heißt Zukunftsfähigkeit. Wie zukunftsfähig ist REIFF aufgestellt? 

AR Das kommt auf die Perspektive an. Mit Blick auf die Märkte ist das Potenzial gros und facettenreich. Auch das Geschäftsmodell als „Beschaffungspartner der Industrie“ ist absolut zukunftsfähig. Aber es bedarf bei uns intern einer Justierung des Mindsets – das ist eine unternehmenskulturelle Aufgabe. Ein Beispiel von Philipp Depiereux, dem Autor unseres Leitartikels, trifft es auf den Punkt. Kettler und Peloton waren bzw. sind beide Hersteller von Sportgeraten. Aber im Unterschied zu Kettler, die es so nicht mehr gibt, denkt Peleton konsequent kundenorientiert, setzt auf die Community und adressiert durch Gamification Features die Selbstmotivation ihrer Kund:innen. Das ist in dieser Branche heute erfolgsentscheidend. Auch wir bei REIFF müssen noch viel konsequenter aus der Kundensicht denken – in Losungen, nicht nur in Produkten. Dazu gehört ein Wechsel der „Denkrichtung“. Das gelingt am besten, wenn wir immer wieder im direkten Austausch mit unseren Kunden sind und die entscheidenden Fragen stellen.

  • „WER ZUKUNFT GESTALTEN WILL, MUSS ZUKUNFT VORAUSDENKEN.“

CR Ihr versteht euch als Technischer Händler, habt acht Standorte, vier Auslandsgesellschaften und neun unterschiedliche Sortimentsfelder. Wo eröffnen sich für euch neue Geschäftsfelder? 

AR Durch unsere bisherige Profitcenter-Organisation sind wir im Schnitt nur mit zwei Produktgruppen bei unseren Kunden vertreten. Das Potenzial liegt je nach Kunde aber bei sieben bis acht. Wir können unseren Kunden also eine Lieferantenkonsolidierung mit attraktiven Einsparmöglichkeiten bieten. Auch der „After Market“ ist für uns ein ausbaufähiges Geschäftsfeld. Wenn technische Teile zu Datenlieferanten werden, können wir neue Services wie „Predictive Maintenance“ anbieten. Parallel treiben wir die Prozessautomatisation, Digitalisierung und Vernetzung mit unseren Kunden voran. Konfiguratoren, E-Shop-Lösungen und Plattformen sind Teil unserer Realität und damit Must-haves.
 

CR Die Digitalisierung, Automatisierung, Künstliche Intelligenz sind also auch bei euch Innovationstreiber. Das macht euch auch als Arbeitgeber für Nachwuchskräfte interessant. 

AR Absolut. Wir haben beispielsweise mit der ESB Business School ein Drittmittelprojekt zum Thema „Künstliche Intelligenz“ laufen, um aus historischen Daten Kundenbedarfe vorauszusagen. So schaffen wir eine zusätzliche Entscheidungsgrundlage, die angesichts der aktuellen Lieferengpasse für unsere Kunden durchaus relevant sein konnte. 

CR Für mich bedeutet Mut auch, die eigene Komfortzone zu verlassen, um Neues zu lernen. Hast du ein Beispiel aus deinem Berufsleben dafür? 

AR Oh ja, das passiert permanent. Zum Beispiel lag der Verkaufsprozess unserer Reifensparte in 2017 weit außerhalb meiner Komfortzone. Aber ich teile deine Meinung: Wenn man sich nur in seiner Komfortzone bewegt, entwickelt sich nichts. Und doch ist es ein schmaler Grat. Die Mitarbeitenden sollten immer wieder die Möglichkeit haben, in die Komfortzone zurückzukehren. Wir arbeiten seit geraumer Zeit mit Sebastian Purps-Pardigol, der die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft gemeinsam mit Dr. Gerald Huter mit Themen der Organisations- und Personalentwicklung verknüpft. Wer sich dauerhaft außerhalb seiner Komfortzone bewegt, lauft Gefahr, so Purps-Partigol, dass seine Leistungsfähigkeit überproportional abnimmt. 

CR Eure Kultur ist weniger im Wandel als vielmehr in der Weiterentwicklung. Wo siehst du auf diesem Weg die größte Herausforderung? 

AR Ja, es ist ein Weg. Die größte Herausforderung ist es, die Dinge anzusprechen. Wir haben uns darauf geeinigt, in den nächsten zwei Jahren an der Feedbackkultur zu arbeiten. In einem zweitägigen Workshop mit unseren Direct Reports haben wir zuvor gelernt, wie man professionell Feedback gibt. Und dabei selbst erfahren, was das mit einem macht. Das hat intern ganz viel angestoßen, und wir lernen Tag für Tag dazu. 

 

CR Als Führungskraft in einem schwäbischen Konzern kenne ich den Ausspruch „Ned gschimpft isch globt gnug!“ Das ist traurig, weil das Thema Wertschätzung so wichtig ist. 

AR Wenn man Feedback richtig versteht, ist es die höchste Form von Wertschatzung, weil du dich dafür mit der Person auseinandersetzen musst. Ich war selbst überrascht, wie präzise unsere Direct Reports Feedback gegeben haben. Das ist das, das wir haben und das wir im gesamten Unternehmen entfalten wollen. Das bringt uns einen Quantensprung nach vorn.

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